Der Blick aus unserem Zimmerfenster der Pension 1686 in Niedernai, in der wir fünf Tage verbrachten, fiel auf ein kleines Château, dessen Spitze von einem Storchennest gekrönt wurde. Ständig herrschte reger Betrieb: Mal standen die Störche aufrecht, mal war nur ein langer Hals zu sehen, mal schien das Nest leer – eine faszinierende Beobachtung. Unser Zimmer war grosszügig und voller liebevoll abgestimmter Details, sodass wir uns sofort wohlfühlten. Die Gastgeberin war gesprächig, herzlich und zeigte grosses Interesse. Ihr Französisch klang melodisch, und sie sprach in einer für uns angenehmen Geschwindigkeit.
Lovis und mein erstes Trainingscamp für den Eiger Ultra Trail im Juli stand ganz im Zeichen regelmässiger, langer Trailruns in lockerem Tempo, gelegentlich gespickt mit kurzen Intervallen.
Tag 1: Tour am Anreisetag
Am Anreisetag stand ein zweistündiger Trailrun im GA1-Tempo auf dem Programm. Wir fuhren in ein Waldgebiet nahe Saint-Nabor und erwarteten eine 15-Kilometer-Runde mit 500 Höhenmetern. Unsere Garmin-Uhren hatten die Pulsbereiche gespeichert – GA1, GA2, Entwicklungs- und Schwellenbereich.
Übermütig starteten wir, doch bald meldete meine Uhr Alarm: Puls zu hoch! Mein Maximalpuls liegt trotz fortgeschrittenen Alters bei etwa 195 Schlägen – ein echtes Kolibriherz. Selbst im moderaten Tempo überschritt ich oft den GA1-Bereich. Dennoch fühlte ich mich grossartig, konnte mich entspannt mit Lovis unterhalten und liess einige Schläge über GA1 zu.
Die Waldwege waren ein Traum: weicher Boden, ab und zu eine Wurzel oder ein Stein, aber stets gut zu laufen. Vogelgezwitscher, kaum Wanderer, vereinzelt Trailrunner – doch grösstenteils herrschte pure Ruhe. Ich tauchte völlig ins Hier und Jetzt ein.
Die Zeit verging trotz gemütlichem Tempo wie im Flug. Ab und an passierten wir ein Château – oder besser gesagt eine Ruine, denn oft war kaum noch etwas erhalten. Dennoch beeindruckend.
Glücklich und voller neuer Eindrücke kehrten wir nach gut zwei Stunden zum Auto zurück.
Tag 2: Le Donon et le Petit Donon – 17,5 km, 800 Hm
Heute standen die beiden Donons auf dem Programm – auf abwechslungsreiche Weise. Nach dem Einlaufen folgte ein Intervalltraining mit 3×8 Minuten im Entwicklungsbereich, jeweils mit 2 Minuten Pause. Die restlichen Kilometer liefen und wanderten wir im gemütlichen GA1-Tempo.
Die Intervalle erschienen mir gar nicht so lang, da der Trail abwechslungsreich war und ich mich auf den Untergrund konzentrieren musste. Ich liebe es, wenn meine Atmung intensiver wird, meine Muskeln arbeiten – ich fühle mich lebendig!
Auch diese Tour war geprägt von ruhigen, wunderschönen Waldpassagen mit weichen Böden, perfekt zum Laufen. Es war Flow-Trail pur, und dieses Gefühl löste wahre Glücksgefühle aus. Ich liebe es, auf Singletrails in den Flow-Zustand zu kommen – kein Grübeln, nur pures Geniessen.
Auf dem grossen Donon legten wir eine Pause ein, genossen die Aussicht und probierten einen Minestry-Riegel. Bisher fällt unser Fazit zu diesen Produkten positiv aus.
Tag 3: Rundtrail mit Château d’Andlau – 15,26 km, 690 Hm
Heute starteten wir früh, da mittags Regen angesagt war. In Barr parkten wir und begaben uns auf den Weg. Der grösste Anstieg erwartete uns zu Beginn – im GA1-Bereich wandernd bewältigten wir ihn gelassen.
Erneut präsentierte sich eine traumhafte Landschaft: Waldwege wechselten mit Passagen durch Weinanbaugebiete. Immer wieder tauchten Châteaus auf. Besonders das Château d’Andlau beeindruckte uns: Wie konnte es mitten im Wald auf einer Anhöhe erbaut werden? Phänomenal!
Der zweite Teil der Tour führte größtenteils auf Singletrails bergab – perfekte Bedingungen, um es rollen zu lassen. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel.
Müde, zufrieden und erfüllt erreichten wir Barr.
Tag 4: Pausentag
Der starke Regen lud zu einem Ruhetag ein. Wir nutzten die Gelegenheit, besuchten Strassburg, flanierten durch die Gassen und genossen gutes Essen.
Tag 5: Heimreise mit Abenteuer-Route
Unsere letzte Trailrunning-Tour führte uns zu einsamen Seen bei Ermensbach – ein Weg voller Überraschungen.
Schon bald lagen quer über dem Weg Bäume, Gestrüpp und Steine – eine echte Herausforderung! Wir kämpften uns mühsam voran, doch nach 30 Minuten für einen Kilometer wurde uns mulmig. Weiterkämpfen oder umkehren? Wir entschieden uns fürs Durchkämpfen.
Plötzlich lichtete sich das Chaos – ein Schild wies Wanderer darauf hin, dass dieser Abschnitt gesperrt war und einen Umweg erforderte. Halleluja! Offenbar hatten wir das Verbotsschild am Start übersehen.
Ab hier verlief der Trail wieder einwandfrei. Die Wege schlängelten sich durch Hügel und boten herrliche Ausblicke auf die Seen. Die Zeit verging wie im Flug. Zurück im Dorf entdeckten wir schliesslich auch das Warnschild – Ende gut, alles gut!
Erkenntnisse aus dem Camp:
- GA1 zwingt uns zu sehr moderatem Tempo – manchmal mussten wir sogar kurz stoppen, um den Puls zu senken. Das war sehr eindrücklich.
- In unserer «Laufkarriere» hatten wir noch nie so viele GA1-Einheiten hintereinander. Wir kannten zwar die Theorie über die Wichtigkeit einen Grossteil der Trainingseinheiten in niedrigem Pulsbereich zu absolvieren, doch uns fehlte bisher der Mut und die Überzeugung, es auszuprobieren. Nun hat es sich bewährt! Ich konnte den Trainingsumfang gut steigern, ohne zu sehr zu ermüden. Auch mein lädierter linker Hamstring steckte die Trainings gut weg.
- Für den Eiger Ultra Trail im Sommer wird es entscheidend sein, den Puls niedrig zu halten, um die gut 20 Stunden durchzuhalten.
- Regelmässiges Einsetzen der Massagepistole, Yoga und Dehnen unterstützten unsere Erholung optimal.